Das Ende des Machismo ist für alle gut

Transkript eines Ö1 Diagonal Radiobeitrags.

Dass Machismo unter der österreichischen Bevölkerung, zumindest nach außen hin, in der öffentlichen Meinung sozusagen, seit Kottan vollkommen pfui ist, war nicht immer so. Kollege Peter Lachnit hat in jungen Jahren noch unter dem Anspruch gelitten, dass Mann ein harter Bursche mit hoher Muskelqualifikation und wenig Sinn für das Empfindliche sein müsse.







'Das Leben ging genau so weiter‘, heißt es in dem Film 'Die Beschissenheit der Dinge', 'und das war das Schwierige daran.' In dem Streifen werden die Männlichkeitsrituale der belgischen Unterschicht der 1970er-Jahre nachgezeichnet, peinigend detailgetreu und mit einem mir unrealistischen Happy End. Sicher, meine Jugendjahre verliefen anders, als die der belgischen Alkis mit Fokuhila in dem erwähnten Film, aber manches kam mir doch bekannt vor. Bekannt aus den Jahren, in denen das Mannsein erst eine vage Ahnung war, ein Bündel offener Fragen. Den gemeinsamen Versuch männerbündischen Trinkens, das Schmäh führen auf Kosten der Schwächeren; die herabmachende Art, in der über Frauen geredet wird, den Kult des Stärkeren und Schnelleren - das alles kannte auch ich in der Pubertät. Ich kannte es vom Umgang in der halbwüchsigen, und doch schon ganz machomäßigen Peergroup: Die Witze, die sich immer gegen jemanden richteten, der Kontakt zwischen männlichen Körpern, der immer nur mit Schmerz verbunden möglich war, mit Schlagen, Hauen, Treten. Die Hilflosigkeit, Gefühle zu empfinden und ausdrücken zu können, Egomanie und Unsensibilität sich selbst und den anderen gegenüber. Biertrinken in verrauchten Lokalen, das war es anscheinend, das man als Mann beherrschen musste. Ich beherrschte das nicht und ich wollte es auch nicht beherrschen. Ich fand es nicht attraktiv und fand mich nicht zurecht, auch nicht beim Aufrisszwang den Mädchen gegenüber. Bei den Mutproben mit den Fahrrädern und Mopeds oder auf Skiern und im Schwimmbad. Ich langweilte mich bei den Fernsehübertragungen der Skirennen und des Formel-1 Grand Prix, weil ich der Tatsache, dass Einer um Zehntelsekunden schneller war, als ein anderer, nichts abgewinnen konnte. Das Rollenmuster, hart und unpackbar cool zu sein, damals sagte man das nicht so: es hieß lässig. Es war ein Zwang, von außen auferlegt und - weil einzig bekannte Norm - nur widerwillig akzeptiert.
Man müsse so sein, um die Frauen zu beeindrucken, ging die Fama, doch ich ahnte, dass diese Welt der Männer nie die meine werden würde. Aber gab es überhaupt ein anderes Verhaltensrepertoire, eines, das einen nicht automatisch zum Objekt von Spott und Verachtung der ausschließlich testosterongesteuerten Gleichaltrigen machte, wie das mit den Vaserln so zu passieren pflegte - den Opfern, würde das wohl heutzutage heißen? Ja, das tat dann gut, draufzukommen, dass es Frauen gab, die das alles auch nicht sonderlich schätzten. Die genau jene, vermeintlich männlichen, Eigenschaften, an denen ich mich abgearbeitet hatte, sogar offensiv bekämpften: Die Feministinnen, die anfangs ein wenig unheimlich waren, weil ungewohnt und angriffig und verunsichernd. Sie befreiten damals nicht nur sich selbst, sondern auch uns Männer, als wir merkten, dass zuhören können, Empathiefähigkeit, Einfühlungsvermögen auch geschätzte Eigenschaften bei Männern sein können. Das Kochen und das Putzen, das hatten wir in den Wohngemeinschaften ja ohnehin gelernt, lernen müssen. Manche der neuen Männer gingen im Fraternisieren mit dem Feind so weit, dass sie öffentlich zum Strickzeug griffen. Das Bügeln und das Kinderwickeln kam dann später im Prozess der individuellen Verspießerung auch noch hinzu. Und der Abschied vom männlichen Rolemodel des stahlharten Penetrierers ermöglichte den Einstieg in ein viel breiteres Repertoire an sexuellen Entfaltungsmöglichkeiten. Ja, der Kampf gegen den Machismo war auch für Männer befreiend, erleichternd, entspannend, er hat eine weitere Welt eröffnet. Danke
FeministInnen, war echt nett von euch.


Männerbünde zerschlagen

[aus: ORF Radio Ö1 | Diagonal - Radio für Zeitgenossen | Zur Person: Der Macho - und was aus ihm wurde. | 12. März 2011 | Präsentation: Ines Mitterer]

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