Der Kurt Waldheim der Zuckerbäckerinnung

Von großen Österreichern.

Tortenverzierung einmal anders: Ob Wahlspruch der Hitler-SS („Meine Ehre heißt Treue") oder Reichsadler aus Zuckerglasur - ein niederösterreichischer Konditor erfüllt jeden noch so ausgefallenen Mehlspeistraum. Dem Neonazi-Milieu will er sich nicht zurechnen lassen. Er sei eben Bäcker und bediene Kundenwünsche.

"Ich bin Bäcker, ich habe nur meine Pflicht gemacht" kommentiert Satiriker Christoph Grissemann den Vorfall und spielt damit auf eine lange österreichische Tradition von Leugnern und Verharmlosern an. Denn wer Karriere machen wollte, der musste in den Dreißigerjahren nun mal grausige Dinge an seinen Mitmenschen verüben, ehe er diese Verbrechen ab 1945 herunterzuspielen oder zu bestreiten begann.

Kurt Waldheim BriefmarkeEin Paradebeispiel eines solchen Karrieristen ist der ehemalige Bundespräsident Kurt Waldheim. Als die ÖVP den gelernten Diplomaten und ehemaligen UN-Generalsekretär 1985 zum zweiten Mal hintereinander für das höchste Amt im Staat nominiert, entbrennt eine Diskussion um seine Nazi-Vergangenheit. Eine Debatte, der sich der der einstige Wehrmachtsoffizier, der auch Mitglied des SA-Reiterkorps war, nicht stellen will. Waldheim-Äußerungen wie „Ich kann mich nicht erinnern" oder „Ich habe nur meine Pflicht getan" zeugten vom Unwillen ernsthafter Vergangenheitsbewältigung und wurden nicht zuletzt auch im Ausland als Provokation bzw. Schuldeingeständnis gewertet. Waldheim gewinnt 1986 zwar die Wahl (die ÖVP hatte zuvor „Jetzt erst recht!" plakatiert), ist außenpolitisch aber isoliert, 1987 verhängen die USA gar ein Einreiseverbot gegen den vermeintlichen Kriegsverbrecher.

Schließlich wird eine Historikerkommission eingesetzt, die Waldheim nun keine direkte Beteiligung an Kriegsverbrechen, wohl aber detaillierte Mitwisserschaft attestiert. Waldheim verzichtet 1992 auf eine Wiederkandidatur. Er hält auch als Pensionist weiter an seiner Darstellung fest, dass er lediglich seine Pflicht erfüllt und sich nichts vorzuwerfen habe.
Als er 2007 im Alter von 88 Jahren stirbt, schwingt sich der ehemalige Nationalratspräsident Andreas Khol zu einem Gastkommentar in der Tageszeitung Die Presse auf, in welchem er die „Hetze" gegen den „großen Österreicher" Waldheim erneut verurteilt.

Besser hat es eingangs erwähnter Zuckerbäcker gemacht, der hat sich wenigstens entschuldigt. "Ich habe mir nichts dabei gedacht, und es waren nicht mehr als die drei Torten. Es tut mir leid, dass es passiert ist" zeigte er sich bei einem klärenden Gespräch mit dem Vorsitzenden des Mauthausen Komitees einsichtig - und ist mit einem Schlag ein ganz ein großer Österreicher geworden.

Einem Toten - und wenn er noch so ein verlogener Nazi war - ins Grab zu spucken, ist nicht unbedingt die feine steirische Art.

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